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Ois über unsere Heimat
Franz Karl Leopold, genannt Leo, wuchs als Ältester von sieben Kindern in der Nähe von Braunschweig auf. Im Alter von 16 Jahren studierte er an der Berliner Bauakademie Architektur. Über einen Bekannten kam er 1808, 24jährig, an die Stelle des Hofarchitekten beim damaligen König von Westphalen, dem jüngsten Bruder von Napoléon Bonaparte, wo er in Kassel gleich seine ersten Bauten realisieren durfte.
Als das Königreich Westphalen zusammenbrach und Napoléons Untergang unmittelbar bevorstand, floh Leo Klenze mit seiner Frau und deren Bruder im Oktober 1813 nach München. Dort angekommen, konsultierte das Dreigespann (seine Frau war Opernsängerin, ihr Bruder Hofkapellmeister und Leo Hofarchitekt) den Kronprinz Ludwig I. Da diese erste Unterredung zu keiner Anstellung führte, zog das Ehepaar Klenze nach Paris. Erst nach zwei weiteren Bewerbungsgesprächen erhielt Leo Klenze schließlich im Oktober 1815 die gewünschte Stelle als Privatarchitekt am Baierischen Hof (damals noch mit "i") und zog daher mit seiner Familie nach München in die Fürstenstraße.
Bereits ein Jahr später wird er zum Hofbaumeister befördert und begibt sich damit in ein lebenslanges Abhängigkeitsverhältnis von Ludwig I. Der exzentrische, kunstbesessene König schaffte an, er hatte
die Vision vom Münchner "Isar-Athen" und Klenze setzte "treugehorsam", aber kongenial um.
Ganz München ist voll mit seinen Gebäuden. Klenze prägte das Gesicht Münchens wie kein zweiter.
Unter ihm und seinem königlichen, bauwütigen Gönner entwickelt sich München von der mittelalterlichen Enge hin zu einem einmaligen Kulturzentrum mit prächtigen Plätzen und weitläufigen Boulevards.
Bis 1830 übertrug Ludwig nahezu alle Bauvorhaben an Klenze, der sich selbst zum "Kunstpapst" stilisierte und von seinen Mitbewerbern dafür regelrecht gehasst wurde. Unabhängig davon muss Klenze übrigens auch ein depperter und karrieregeiler Intrigant gewesen sein. Grundstücksgeschäfte wickelte er stets mit einer gewissen Gerissenheit, ja Rücksichtslosigkeit ab und führte eine Art "Gewaltherrschaft" über Kunst und Architektur.
Von 1816 bis 1829 entstand der Ausbau der Ludwigstraße zum Prachtboulevard, mit dem Abriss des Schwabinger Tores und der allseits beliebten Gaststätte "Bauerngirgl", dem Bau des Hofgartentores am Odeonsplatz, der Umgestaltung der Briennerstraße und des Wittelsbacherplatzes.
Bis 1830 entstehen die Glyptothek, das Palais Leuchtenberg (dem heutigen Finanzministerium), das Kriegsministerium (dem heutigen Bayerische Hauptstaatsarchiv und Institut für Bayerische Geschichte), die äußere Ludwigsbrücke, das Bazargebäude am Hofgarten (also das Gebäude in dem Schuhmann's und früher das Tambosi beheimatet waren), das (im Krieg zerstörte) Konzerthaus Odeon, der Marstall sowie der Wiederaufbau des (mit Bier gelöschten und dennoch abgebrannten) Hof- und Nationaltheaters. 1826 beginnt Klenze mit dem Bau der Alten Pinakothek (eröffnet 1836), sowie des Königsbaus der Residenz (bis 1835) und seinem einzigen Kirchenbau, der Allerheiligen Hofkirche (ebenfalls bis 1835).
In diesem königlichen Bauwahn wurde Leo Klenze geadelt: 1822 wurde er in den persönlichen und 1833 in den erblichen bayrischen Adelsstand erhoben.
Von Klenze und Ludwig hatten aber stets ein spannungsgeladenes Arbeitsverhältnis. Ständig wurde gestichelt und keiner von beiden sparte mit Bosheiten. Klenze sieht sich gar als den Künstler, der von einem "Tyrann" als "Sklave" gehalten wird und setzte schon mal ganz unverfroren den Hut in der Gegenwart des Königs auf.
Leo von Klenze kränkte es andererseits sehr, dass ausgerechnet sein erbittertster Kontrahent Friedrich von Gärtner (1791-1847) ab 1830 die Gunst von König Ludwig gewinnen konnte und dieser mit der Feldherrnhalle und dem Siegestor samt Universitätsgebäude die beiden markanten Endpunkte seiner Ludwigstraße setzen durfte. Klenze und Gärtner konnten sich partout nicht leiden und Klenze wird nicht besonders viele Tränen verdrückt haben, als Gärtner jung, bereits mit 54 Jahren, viel zu früh verstarb.
Doch auch nach 1848, nach der erzwungenen Abdankung Ludwigs, erhielt Klenze keinen einzigen Auftrag mehr von König Max II.
Bereits in der Rente setzte Ludwig aber noch durch, dass die Ruhmeshalle an der Theresienwiese bei der Bavaria (1843 - 1853) und die Propyläen (1854-1862) von Klenze fertiggestellt werden konnten.
Außerhalb Münchens errichtete Klenze die Walhalla bei Regensburg (1830-1842) und vollendete die Befreiungshalle bei Kelheim (1850-1863). Für den russischen Zaren Nikolaus I., der die Münchner Pinakothek so unheimlich toll fand, durfte Klenze die Neue Eremitage in Sankt Petersburg (1839-1852) erbauen und als Freund des Griechischen restaurierte er auch noch die Akropolis und begleitete die klassizistische Umgestaltung Athens.
Der von Ludwig geliebte und von Leo von Klenze umgesetzte Architekturstil der griechischen Antike war bei den Münchnern ziemlich umstritten. Die Münchner nannten die Glyptothek von Beginn an spöttisch "narrisches Kronprinzenhaus". Von Klenze hingegen ließ an neuen architektonischen Stilen kein gutes Haar. Die Architektur, die dann mit dem Industriezeitalter aufkam, verhöhnte er. Den Londoner Kristallpalast, der als Vorlage für den Münchner Glaspalast galt, bezeichnete er zum Beispiel als "Baracke eines Gärtners".
Erst mit 75 Jahren geht er hochbetagt und hochgeehrt in Rente und wird als Hofbauintendant entpflichtet. Zwei Jahre vor seinem Tod wird Leo von Klenze 1862 zum Ehrenbürger von München ernannt.
Leo Klenze - vielleicht Münchens wichtigster Architekt
(* 1784 in Wolfenbüttel; † 27. Januar 1864 in München)
Abbildung: Dreimal Klenze, einmal gemalt und zweimal photographiert, mittig von Joseph Albert, um 1860, unten von Franz Hanfstaengl, 1856
Abbildung einige seiner Bauten (von links nach rechts): Glyptothek, Pinakothek, Obelisk, Hofgartentor und Königsbau