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München in Zeiten des Wiederaufbaus

Thomas Wimmer, Wimmer Damerl, Münchner Oberbürgermeister, Rama Dama

Wimmer Damerl - vom Holzarbeiter zum Oberbürgermeister

1887 bis 1964 n. Chr.

Der Thomas Wimmer (* 7. Januar 1887; † 18. Januar 1964 in München) kam aus der Gegend um Erding und wurde von allen nur "Wimmer Damerl" genannt (bayerisch Kurzform von Thomas, gesprochen [da:màl]). Der Damerl war gelernter Schreiner als er sich mit Siebzehn, nach seinen Wanderjahren, in München niederließ. Ab 1904 arbeitete er bei einem Münchner Möbelhersteller und schon damals trat er der Holzarbeiter-Gewerkschaft bei. Bereits mit Zweiundzwanzig, anno 1909, wurde er SPD-Mitglied. Wie alle jungen Männer musste auch Wimmer, 1914, in den ersten Weltkrieg ziehen. Von der Front konnte er sich jedoch bereits 1916 wieder verabschieden, um im Gegenzug

in der Rüstungsindustrie zu arbeiten.

Nach dem ersten Weltkrieg war Wimmer ab 1919 als Assistent beim Münchner Arbeitsamt tätig.

In der SPD machte er Karriere und wurde erster Vorsitzender bei den Münchner Sozis. Ab 1924

wurde Wimmer ehrenamtlicher Stadtrat und engagierte sich, unter dem Bürgermeister

Karl Scharnagl, auch bei der kommunalen Wohnungspolitik. Damals zog Wimmer in die

Bruggspergerstr. 41/45, draußen in Harlaching, wo er sein ganzes Leben lang in einem

Mehrfamilienhaus wohnte.

Als die Nazis die Macht übernahmen wurde Wimmer sofort in "Schutzhaft" genommen. Anfänglich saß er in Stadelheim ein und danach in Landsberg am Lech. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis und der darauffolgenden zwangsweisen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, war er bis 1938 bei einer Baufirma tätig, zeitweise arbeitslos und ab 1941 wieder in seinem gelernten Beruf, als Schreiner, aktiv.

Nach dem gescheiterten Umsturzversuch von Graf von Stauffenberg wurde Wimmer, obwohl völlig unbeteiligt, wieder verhaftet und musste diesmal für sechs Wochen ins "Vorzeigelager" nach Dachau, wo er seinen alten Chef und früheren politischen Gegner Dr. Karl Scharnagl, als Leidensgenossen, traf.

 

Gott sei dank war der zweite Weltkrieg auch irgendwann vorbei und über Garching, Schleißheim und vom Ammersee her kommend, konnten amerikanische Soldaten praktisch kampflos München einnehmen. Die Münchner empfingen die US-Soldaten freundlich und mit großer Erleichterung.

Scharnagl wurde von den Amerikanern gleich nach der Befreiung am 4. Mai 1945 zum Oberbürger-meister ernannt und dieser holte Wimmer als dritten Bürgermeister ins Rathaus. Im gleichen Jahr noch wurde der Posten des zweiten Bürgermeisters frei, so dass Wimmer nochmals eine Stufe nach oben stolperte.

 

In den ersten vier Nachkriegsjahren, von 1946 bis 1950, war Wimmer zusätzlich Mitglied des Bayerischen Landtags. Im Mai 1948 gab es dann wieder eine Stadtratswahl, aus der die Münchner Sozialdemokraten als stärkste Fraktion hervorgingen (SPD 15 Sitze, Bayernpartei 13 Sitze, CSU 10 und KPD 6). Am 1. Juli 1948 löste somit Thomas Wimmer seinen Vorgänger Scharnagl als Münchner Oberbürgermeister ab.

 

1949 debattieren die Münchner über das Stadtwappen. Mönch oder Münchnerkindl? Die Münchner entscheiden sich für das Münchnerkindl im Wappen. Es dauerte aber noch einige Zeit, genau bis 1957, bis das neue Stadtwappen in seiner heutigen Form eingeführt wurde.

Das wohl bekannteste Foto von Wimmer zeigt ihn als Symbolfigur des Wiederaufbaus mit Schaufel in der Rosenstraße, nahe Marienplatz, die Trümmer beseitigen. Damals entstand sein Ausspruch "Rama dama!" (Wir räumen!) und über 7.500 Freiwillige taten es dem Bürgermeister an einem Samstag Ende Oktober 1949 gleich. Mit Spitzhacken und Schaufeln räumten die Münchner den letzten Kriegsschutt weg. Zwar wurde bereits direkt nach Kriegsende mit dem Aufräumen begonnen, aber es fehlte lange an der benötigten Gerätschaft. Die Trümmer wurden zu Schuttplätzen vor den Toren der Stadt gefahren. In Sendling, am Luitpoldpark und am Oberwiesenfeld, dem heutigen Olympiapark, türmten sich Schuttberge. 1949 waren von den ursprünglich fünf Millionen Kubikmetern Schutt (etwa sieben Mio. Tonnen) bereits vier Millionen beseitigt. Kaum eine andere Stadt war so schnell wieder aufgeräumt wie München.

Die Münchner sind noch heute Wimmer dankbar, dass er erfolgreich Plänen verhindern konnte, die damals so moderne Verkehrsschneisen mit Stadtautobahnen oder Schnellstraßen durch die Münchner Innenstadt schlagen wollten. Bekannt ist noch sein Satz, den er Hans-Jochen Vogel, dem jungen Rechtsreferenten bei einer verkehrspolitischen Sitzung im Rathaus entgegen schleuderte: „Wenn's gar nicht mehr durchkommen, dann bleiben's einfach stehen mit ihren Stinkkarren und dann werden's auch vernünftig!“ Hinsichtlich der "Stinkkarren" gab es in Wimmers Amtszeit geradezu eine explosionsartige Zunahme. Waren 1949 lediglich 41.600 Kfz in München zugelassen, so waren es 1951 bereits 81.500 Kfz, 1954 schon 125.000 und 1959 bereits 162.900 Autos - also fast viermal so viel wie zu Beginn seiner Amtszeit.

Am 16. September 1950 wurde die Tradition begründet, als Thomas Wimmer nicht winkend mit einer Kutsche vorfuhr, sondern zu Fuß und von hinten den Abhang beim Schottenhamelzelt mit grantiger Miene hinunter stieg. Kurz zuvor hatte er auf dem  Messegelände eine Elektromesse eröffnet und direkt im Anschluss stapfte er auf dem kürzesten Weg hinunter ins Schottenhamelzelt, wo schon ein Schlegel und ein Messinghahn für ihn bereitlag. Umringt von vielen Fotographen schnürte sich der Wimmer den Schurz um, krempelte die Hemdsärmel hoch und zapfte mit siebzehn (oder waren es sogar neunzehn?) Schlägen an. Anschließend rief er laut: „O'zapft is'“ (was soviel heißt wie: "Es ist angezapft“). Vor ihm ist es keinem Politiker in den Sinn gekommen, ein Fass Bier anzuzapfen. Dass ein Politiker die Funktion des einfachen Schankkellners übernimmt, hatte Symbolkraft. Lustig auch die Anekdote, dass die ersten beiden Jahre im Schottenhamel, das eigentlich schon immer Kunde bei der Spatenbrauerei war, mit Hofbräu-Bier angezapft wurde. Nur in den Jahren 1950 und 1951 prostete man sich im Spatenzelt mit Hofbräu-Maßkrügen zu, da sich der Wirt und die Spatenbrauerei nicht auf einen für beide Seiten akzeptablen Bierpreis einigen konnten.

Der Wiederaufbau schritt voran: 1949 wurde das Maximilianeum für den Bay. Landtag umgebaut; 1950 wird das Deutsche Museum wieder eröffnet; 1951 wird der Turm vom Alten Peter aufgebaut; 1952 wird der neue Chinesische Turm im Englischen Garten eingeweiht und die Arkaden am Hofgarten wiedererstellt; 1953 werden einige Kirchen wiedereröffnet, darunter die Maria-Hilf-Kirche und Sankt Michael; 1954 wird das zerstörte Odeon zum Innenministerium umgebaut und der neue Fischbrunnen am Marienplatz mit dem traditionellen Metzgersprung eingeweiht; 1957 erfolgte die Inbetriebnahme der Frauenkirche und Wiedereröffnung der Alten Pinakothek; 1958 wird das Cuvilliéstheater wiedereröffnet und der Bau des Altstadt-, Mittleren- und Äußeren Rings begonnen.

Ganz München war damals eine einzige Baustelle. Anfang der Fünfziger waren etwa 8% der erwerbsfähigen Münchner im Baugewerbe tätig - etwa 31.000 von 400.000 berufstätigen Münchnern waren bei 386 Baubetrieben beschäftigt.

 

Sind die Nachkriegsjahre mit vielen Versorgungsengpässen noch von großer Entbehrung gekennzeichnet, zeigen sich nach der Währungsreform 1948 schon bald die ersten Vorboten des "Wirtschaftswunders": 1950 eröffnet der erste Selbstbedienungsladen; 1951 wird der Kaufhof am Stachus erbaut und eröffnet; 1954 wird der erste Wienerwald eröffnet.

Thomas Wimmer war bodenständig, volksnah, geradlinig, hemdsärmelig, pragmatisch, zupackend und äußerst beliebt. 1952 wurde er mit 60,9% von den Münchner im Amt bestätigt und auch 1956 erhielt er mit 58,3% ein respektables Ergebnis. Über viele Jahre gab es bei den Münchnern den Spruch "So an Wimmer kriang ma nimma“ (So einen Wimmer, bekommen wir nicht wieder.) 1960 übergab er seine Amtskette an Hans-Jochen Vogel und ging in den wohlverdienten Ruhestand. Vier Jahre später, im Januar 1964, verstarb er.

 

Abbildung: Thomas Wimmer beim Rama -  

Zu seinem Gedenken wurde der Altstadtring zwischen Isartor und Maximilianstraße nach ihm benannt. Jenseits der Maximilianstr. geht der Thomas-Wimmer-Ring in den Karl-Scharnagl-Ring über. 

Rasante Entwicklung der Einwohnerzahlen:

1946: 752.000 Einwohner

1948: 780.000 Einwohner 

1949: 795.000 Einwohner 

1950: 832.000 Einwohner 

1951: 855.000 Einwohner

1952: 873.000 Einwohner

1953: 890.000 Einwohner 

1954: 908.500 Einwohner 

1955: 930.000 Einwohner, davon 181.600 Vertriebene

1956: 963.000 Einwohner 

Am 15.12.1957 Geburt des 1 Millionsten Münchners

1958: 1.012.000 Einwohner, davon 193.100 Vetriebene

1960: 1.103.000 Einwohner

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