Munichkindl
Ois über unsere Heimat
Die goldene Prinzregentenzeit
Poldi lebt ganz nach Libertas Bavariae
1886 bis 1912 n. Chr.
Luitpold von Bayern wurde 1821 als fünftes Kind von König Ludwig I. geboren und avancierte zu dessen Lieblingssohn. 1838 sagte sein Vater "Zum Soldaten soll sich mein Sohn Luitpold bilden, aber auch, dass er Herrscher sein kann... Gottes Fügung kennt niemand." und diese Vorahnung sollte tatsächlich eintreten.
Während erst sein Bruder Max II. und dann dessen Sohn Ludwig II. den Bayerischen Thron inne hatten, machte Luitpold, wie befohlen, seine Karriere als Soldat und hatte dabei noch genügend Zeit für ausgedehnte Auslandsreisen. Bei einer dieser Reisen lernte er seine spätere Frau, Auguste Erzherzogin von Österreich und Prinzessin von Toskana kennen, die er 1844 im Dom von Florenz heiratete.
Als sein Neffe, der mystische Märchenkönig Ludwig II., drei Tage vor seinem tragischen Tod im Würmsee (ab 1962 auch Starnberger See genannt) entmachtet wurde, übernahm er 1886, zunächst für Ludwig und dann für den melancholischen und entmündigten König Otto I., die Regentschaft - was ihm anfänglich jedoch negativ ausgelegt wurde, da man Luitpold verdächtigte seine beiden etwas entrückten Neffen entmachtet zu haben.
Der bereits 65 Jährige Prinzregent Luitpold mit seinem Rauschebart war zu Beginn seiner Amtszeit ein
rüstiger pensionierter Offizier (Generalfeldzeugmeister im Rang eines Generalfeldmarschalls) als er am 28. Juli 1886 den Regierungseid als "Reichsverweser" leistete. Luitpold mischte sich nicht maßgeblich in die Tagespolitik ein und überließ als eine Art Frühstücksdirektor die Regierungsgeschäfte weitestgehend den angestellten Ministern.
Sehr häufig sah man Luitpold auch bei der Jagd. Er jagte nicht nur in den Wäldern um München, sondern auch bei Ingolstadt, im Spessart, im Oberbayerischen und Allgäuer Gebirge und insbesondere bei Oberstdorf, das er auch zu seiner offiziellen Hofjagd machte. Als nette Anekdote ist bekannt, dass er immer an seinem Geburtstag in Oberstdorf allen Kindern schulfrei gab und jedem eine Wurstsemmel spendierte. Jedes Kind, ab der dritten Klasse, erhielt zusätzlich einen Schoppen (=25cl) Bier ausgeschenkt.
In die Prinzregentenzeit fiel auch das eigentliche Ende der konstitutionellen Königsherrschaft
und zur parlamentarischen Monarchie. Mit der Wahlrechtsreform von 1906 durften dennoch nur
Männer ab 25 Jahre (Frauen natürlich noch nicht) wählen - und zwar nur Männer, die auch Steuern
zahlten - ergo auch nennens-wertes Eigentum hatten. 80% der bayerischen Bevölkerung (vom
Habenichts, den Mägden und Knechten, bis hin zu Dienstboten, Hauspersonal oder den Hand-
werksgesellen) war nach wie vor von der Wahl ausgeschlossen.
Luitpold liebte die Malerei sehr, machte daher häufig unangekündigte Besuche in den Ateliers junger
Künstlern und förderte diese schon alleine durch die dadurch entstandene Publicity. Der deutsche "Jugendstil" erhielt ab 1896 in München seinen Namen. Das Traumpaar der Münchner Kulturdialektik waren damals die beiden Franz - Franz von Lenbach (bereits 1853 mit siebzehn aus der bayerischen Provinz zugezogen) und Franz von Stuck (ebenfalls jung, 1878 als fünfzehnjähriger Kunststudent von Passau nach München gekommen). Beide ließen die Legende der Münchner Künstlerfürsten - der eine im Lenbachhaus, der andre in der Villa Stuck - Wirklichkeit werden.
1887 erfand der Steyrer Hans den Einzug der Wiesn-Wirte am ersten Wiesn-Samstag, wurde aber wegen "groben Unfugs" zu einer saftigen Geldstrafe verurteilt.
Luitpolds Kunstsinn bescherte München auch zahlreiche Bauten, Denkmäler und Brunnen:
1897 wurde das Hofbräuhaus am Platzl* eröffnet; danach 1899 folgte die Anlagen der Luitpold-Terrassen mit dem Friedensengel als monumentalen Abschluss der Prinzregentenstraße; 1900 eröffnete Luitpold einen der bedeutendsten Museumsbauten, das Bayerische Nationalmuseum, ebenfalls an der Prinzregentenstraße, der ab 1894 nach Entwürfen Gabriel von Seidl umgesetzt wurde; 1901 folgte das Prinzregententheater und das Müller'sche Volksbad; 1905 wurde das Armeemuseum am Hofgarten (die jetzige Bayerische Staatskanzlei) eröffnet.
* Übrigens, 1890 sollte das "Platzl" in "Plätzchen" umbenannt werden, was die Münchner mit ihrem Protest
gerade noch rechtzeitig verhindern konnten.
In der Prinzregentenzeit, genau im Jahr 1900, wird der FC Bayern gegründet. 1902 gewinnt der FCB das erste Münchner Derby gegen den TSV 1860 (dessen Fußball-Abteilung übrigens erst 1899 gegründet wurde) mit 3:0 am damaligen Fußballplatz an der Clemensstraße. Erster Trainer und gefürchteter Torjäger der Bayern war damals übrigens Willem Hesselink, ein Chemie- und Philiosophie-Studenten holländischer Abstammung, der neben dem Fußball an der Münchner Uni promovierte.
1905 zieht die Dult endgültig hoch zum Mariahilfplatz in der Au und wird damit erst zur Auer Dult. Im gleichen Jahr wird das Kaufhaus Oberpollinger in der Neuhauserstraße eröffnet.
1906 legte Luitpold zusammen mit Wilhelm II., preußischer Kaiser des Deutschen Reiches, den Grundstein für das Deutsche Museum, das die neuesten Wunderwerke der Wissenschaft und Technik feiern sollte. Schließlich gab es seit Beginn der Industrialisierung bereits Telefon, Straßenbeleuchtung, Trambahn, Luftschiffe, Röntgenapparate und erste Automobile**.
** Übrigens, 1899 waren in München lediglich 25 Autobesitzer mit Fahrerlaubnis gemeldet. 1910 waren dann
bereits 1.300 Autos und 483 Motorräder auf Münchens Straßen registriert. Damals wurde auch die
zugelassene Höchstgeschwindigkeit Innerorts von 10 auf 20 kmh erhöht. Jahre zuvor erregte noch ein
Autounfall am Stiglmayerplatz "bei rasendem Tempo von 12km pro Stunde" Aufsehen, während es 1910
bereits zu 182 Autounfällen, davon 11 mit tödlichem Ausgang, kam.
Das sogenannte "Industrieproletariat" begann für seine Rechte zu kämpfen - so gab es 1910 bereits 36 Streiks an denen sich über 2.500 Arbeiter beteiligten. Mittlerweile war auch die gewerkschaftsnahe, eher preußische SPD in Bayern angekommen und konnte 1912 dreißig Abgeordnete in den Vorläufer des Bayerischen Landtags entsenden, der damals natürlich von einer katholischen Patriotenpartei, der späteren Zentrumspatei dominiert war.
Im hohen Alter von 91 Jahren verstarb Luitpold am 12. Dezember 1912 an einer starken Bronchitis - tagszuvor machte er noch gut gelaunt Ausfahrten im Englischen Garten. Kaiser Wilhelm nannte ihn "den letzten Ritter" und auch sozial-demokratisch geprägte Zeitungen gedachten Luitpold mit seiner sympathischen, unaufge-regten, nicht selbstherrlichen oder verschwenderischen Art und seinem politisch zurückgenommen Regierungsstil. Luitpold wurde von allen als bodenständiger, bescheidener, tüchtiger und volksnaher Prinzregent wahrgenommen. Seine Nonchalance und Libertas Bavariae prägen noch heute Bayerns Außenwirkung. An ihn erinnern noch zahlreiche Prinzregenten- und Luitpoldstraßen in ganz Bayern. Bei uns ist darüberhinaus das Prinzregententheater, der Luitpoldpark, das Café Luitpold im Luitpoldblock (seit 1886), das Luitpold-Gymnasium (in dem übrigens Albert Einstein bis 1894 zur Schule ging) und nicht zu vergessen die Prinzregententorte nach ihm benannt.
Während der Regierungszeit von Luitpold schnellte Münchens Einwohnerzahl erneut massiv nach oben: Ergab die Volkszählung im Jahr vor seinem Antritt noch 261.981 Münchner, so kletterte sie bis 1912 auf ca. 620.000. In diesem goldenen Vierteljahrhundert hat sich damit die Anzahl der Münchner Einwohner mehr als verdoppelt. Dieser Anstieg resultierte nur sehr bedingt durch die Eingemeindungen (1890: Neuhausen mit 12.057 Anwohnern und Schwabing mit 11.589 Personen; 1892: Bogenhausen mit 1.570 Personen; 1899: Nymphenburg mit nur 4.000 Anwohnern; 1912 Forstenried mit 800 Personen), vielmehr kam der Zuzug durch die Landflucht sowie durch preußische Nordlichter zustande. Schon im Jahr 1900 waren nur noch 36% der Münchner auch Münchnerkindl, also in München geboren. Damals waren 84% Katholiken, 14% Protestanten, 1,7% Juden und 0,3% Altkatholiken, Konfessionslose oder sonst irgendeiner anderen Religion angehörig.
Unter den neuzugezogenen Münchnern (=Zugroaste) der Prinzregentenzeit sind einige bekannte Namen: Thomas Mann (1894), Wassily Kandinsky (1895), Ludwig Thoma (zieht 1897 von Dachau zu), Paul Klee (1898), Franz Marc (1900), Lenin lebte illegal unter dem Pseudonym "Herr Meyer" von September 1900 bis April 1902 anfänglich in einem Gasthaus in der Schwabinger Kaiserstraße 53 (heute 46), 1901 zieht Gabriele Münter zu, Paul Klee und der "Kohlrabiapostel" (1906), Kurt Eisner siedelt 1910 über - um nur einige zu nennen. Die Münchner Bohème wirkte äußerst anziehend auf viele Zuzügler. Neben den Künstlerkolonien für Maler, Zeichner und Bildhauer entwickelte sich München zu einem Zentrum der Buch- und Zeitungsproduktion und zog damit viele Schriftsteller an. München leuchtet damals in der guten alten Zeit.
Abbildung: Prinzregent Poldi dargestellt vom Munichkindl (2016), unten Photographie in Uniform und auf der Jagd (um 1906)