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München im Klassizismus

Zwanzig Jahren lang verbessert Graf Rumford seine neue Wahlheimat

1784 bis 1804 n. Chr.

Sir Benjamin Thompson (*1753 bei Boston; † 1814 bei Paris) wollte 1784 von London nach Wien reisen, lernte jedoch in Straßburg einen Verwandten des pfalz-baierische Kurfürsten Karl Theodor kennen und begleitete ihn nach München. Damals lebten hier 37.840 Münchner in 1.700 Häusern und 8.829 Herdstätten (oder Haushalte, wie man heute sagen würde), so dass die Stadt, innerhalb der mittelalterlichen Mauern, aus allen Nähten platzte. Ein Drittel der Münchner Bürger musste ihr täglich Brot erbetteln. Die Stadt war stark verschuldet und befand sich in einer schweren Finanzkrise, nahe am Bankrott. Verglichen mit Paris oder London erschien München als dunkelste Provinz, umgeben von vorsintflutlichem Bauernland. Von aufklärerischem Geist oder gepflegter Kultur war hier noch keine Spur.

In der Münchner Residenz wurde Sir Thompson schnell zum Adjutanten und Kammerherrn ernannt und mit der überfälligen Armeereform beauftragt. Da die baierischen Soldaten nicht nur schlecht bezahlt, sondern auch äußerst schlecht versorgt waren, ließ Thompson Garnison-Gärten anlegen, um die Lebensmittelversorgung zu verbessern und die Soldaten vor Müßiggang zu bewahren. Der Kurfürst fordert den Münchner Stadtrat auf, für die Anlage des Militärgartens ein geeinetes Grundstück auszuweisen. Da die Stadtverwaltung jedoch nicht mit der nötigen Schnelligkeit reagierte, wurde Adjutant Thompson selbst aktiv. Er hielt die Gegend vor dem Schwabinger Tor, neben dem Hofgarten, beim Hirschanger für ideal. Dieses Gebiet, die heutige Schönfeldwiese, auf der sich die 'Nackerten' im Sommer im Südwesten des Englischen Gartens sonnen, war damals ein Auen- und schütteres Waldgebiet, das außerhalb des Münchner Burgfriedens lag und wegen seines Wildreichtums lediglich zur kurfürstlichen Jagd genutzt wurde. Dort wurde also der Militärgarten angelegt und jeder der 1.530 Münchner Soldaten erhielt eine 30qm große Parzelle zugewiesen, wo er Kartoffeln (damals 'Erdäpfel' oder 'Grundbirn' genannt), anderes Gemüse und Kräuter anpflanzen musste.

Wohnhaft war Thompson im "Königfeldsches Palais" in der Hinteren Schwabinger Gasse (heutige Theatinerstraße 10, rechts vom Eingang der Fünf Höfe zwischen Hypo Kunsthalle und Max Mara). Thompson war von seinem breiten Wissen selbst sehr überzeugt (von ihm stammt das Zitat: "I know everything."), so dass er auch gleich mit wissenschaftlichem Interesse die Eignung von Textilien für Uniformen untersuchte und dabei auch wärmespeichernde Unterwäsche erfand.

 

Durch sein Aufgabengebiet die Armut innerhalb der Armee zu beseitigen, ließ er auch für Mittellose außerhalb der Streitkräfte Armenhäuser errichten. Sein Ziel war es, die Lebensumstände der gesamten baierischen Bevölkerung zu verbessern.
 

Seinem unbändigen Forschergeist waren keine Grenzen gesetzt:

Er erfand den energiesparenden Küchenherd (Rumfordherd) und das Rezept der Rumfordsuppe (ein billiger, aber nahr- und schmackhafter Kartoffel-Erbsen-Graupen-Eintopf mit Weizenbrot-Schnitten), das fortan europaweit in der Armenspeisung Einsatz fand.

 

Nach dem Vorschlag von Thompson, orderte der Kurfürst am 13. August 1789 an, das Gebiet östlich der Militärgärten in einen Volkspark "zur allgemeinen Ergötzung für dero Haupt- und Residenzstadt München" umzuwandeln. Die Ausführung wurde dem Hofgärtner und genialen Gartenarchitekt Friedrich Ludwig von Sckell übertragen, aber Thompson war als Oberaufseher nach wie vor maßgeblich am Bau dieser städtischen Parkanlage beteiligt. Der Park wurde nicht im bis dahin üblichen französischen, sondern im englischen Stil angelegt und war der erste dieser Art und Größe in ganz Europa. Anfänglich wurde er "Theodors Park“ genannt. Da der pfalz-baierische Kurfürst Karl Theodor äußerst unbeliebt war, nannten die Münchner den Park sehr bald nur noch  Englischer Garten.

 

Während der Monopteros (1831-37) erst später angelegt wurde, begann man mit der Erbauung des Chinesischen Turms gleich zu Beginn in den Jahren 1789/90. Die Bauausführung vom Chinaturm übernahmen zwei heimische Hofzimmermeister, aber auch hier war es Thompson, der den Bau (nach dem Vorbild der 50m hohen Pagode im Londoner Royal Botanic Garden) vorschlug. Im Mai 1792, mit der offiziellen Eröffnung des Englischen Gartens, wurde die Aussichtsplattform des Chinesischen Turms allen Münchnern zugänglich gemacht. Da damals die umliegenden Bäume nicht höher als das zweite Obergeschoss waren, hatte man einen herrlichen Weitblick über die ganze Stadt und an föhnigen Tagen sah man sogar die Alpenkette am Horizont. Am Chinesischen Turm war auch das Chinesische Wirtshaus, das seit 1792 mit einer Kegelbahn und einem offnen, runden Tanzboden von den Wirtsleuten Gillmayr betrieben wurde. An schönen Sonntagen spielte dort schon morgens von 5 bis 8 Uhr Blasmusik, zu der sich gerne die Dienstboten, Laufburschen und Hausangestellten (Köchinnen, Kindermädchen) zum Tanz zusammenfanden. Erst sehr viel später entwickelte sich hieraus die Tradition des 'Kocherlballs'.

 

Ebenfalls vom Anbeginn des Englischen Gartens (sogar schon ab 1790) gab es "das Kleine Hesselohe", anfangs als improvisierten Bierausschank beim Parkwächter, Joseph Tax. Später ab 1793 gab es einen Tanzplatz, Tische und Bänke unter Bäumen luden zur Rast ein und Bier, sowie Eselsmilch und kalte Speisen wurden zur Erfrischung serviert. Man blickte auf einen langgestreckten Weiher, der von Schafsweiden und Wiesen umgeben war. Den Kleinhesselohersee gabe es damals noch nicht. Dieser wurde erst 1803 künstlich angelegt.

1790 ernannte der Kurfürst Thompson, der bereits Oberbefehlshaber der baierischen Streitkräfte war, zum Reichsgrafen. Thompson durfte den Namen seiner früheren Heimatstadt (Rumford) als Bestandteil seines Titel wählen. In München ist Sir Benjamin Thompson daher besser bekannt als „Graf von Rumford“.

1796 gelang es Graf Rumford - der Kurfürst war gerade wieder einmal geflohen - als Vorsitzender des Staatsrats durch diplomatisches Geschick in Verhandlungen mit den Österreichern und Franzosen, München vor Kriegszerstörung zu bewahren.

1804 zog Graf Rumforf weg nach Frankreich, wo er noch zehn weitere Jahre forschte, bis er 1814 im Alter von nur 61 Jahren in Paris verstarb.

 

Heute erinnern noch drei Denkmäler an ihn: das Rumford Monument im Englischen Garten, die Büste in der Ruhmeshalle und sein Standbild in der Maximilianstraße. Südlich vom Viktualienmarkt gibt es die Rumfordstraße und wiederum im Englischen Garten steht leider etwas verfallen und ungepflegt das Rumfordschlössl (in dem heute eine Jugendfreizeit-einrichtung untergebracht ist).

Abbildung: Graf Rumford, dargestellt von Munichkindl, vor einer kolorierten Radierung "der Chinesische Thurm" von Simon Gaßner um 1791, darunter Graf Rumford, kolorierte Radierung, 1800 von James Gillray, darunter Kreidezeichnung um 1792 von Johann Georg von Dillisdaneben das Reichsgräfische Wappen Rumfords (Radierung um 1800, in Privatbesitz), 

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