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München im Barock

Sendlinger Mordweihnacht

1705 n. Chr.

Nachdem der baierische Kurfürst Max Emanuel mit Reichsacht belegt war und pompös im französischen Exil residierte, ließen die Österreicher das baierische Oberland und München besetzen. Auch wurden die Steuern und Zwangsabgaben massiv erhöht. Die Kaiserlichen (Habsburger/Österreicher) gingen bei der Zwangs-rekrutierung von Soldaten nicht zimperlich vor. Jeweils fünf Höfe mussten einen Rekruten stellen.

 

Diese Unterdrückung wollte sich die baierische Landbe-völkerung nicht mehr gefallen lassen und so kam es zu ersten Aufständen u.a. bei Tölz. Der Leitspruch war ausgegeben „Lieber bairisch sterb'n, als in des Kaisers Unfug verderb'n.“. Also lieber den verrückten Wittelsbacher-Kurfürsten, der den Österreichern doch tatsächlich vorschlug, Baiern gegen Sardinien, Mailand und Mantua einzutauschen, als die Habsburgischen Gräueltaten erdulden.

 

Man schmiedete also einen geheimen Plan, wie die österreichische Besatzungsmacht aus München vertrieben werden kann. Mit einem Sternmarsch will man nach München vorrücken und die ehemalige Münchner Bürgerwehr innerhalb der Stadtmauer sollte unterstützen und des Nächtens die Stadttore öffnen.

 

Organisator des Volksaufstands waren leidenschaftliche Patrioten, wie Georg Sebastian Plinganser, Studiosus der Rechte an der hohen Schule zu Ingolstadt, und dessen Schulgenosse Johann Georg Meindl. Auch der Jager Hiasl (Jäger Johann), gebürtiger Tölzer vom Weinhaus Höckh, war einer der Anführer. Der Jager Hiasl war jedoch ein rechter Schwätzer, aber er unterhielt eine Weinwirtschaft in München und gute Beziehungen zum Münchner Hof. Max Emanuel persönlich hatte den Äußeren Stadtrat um 1700 angewiesen den Jagerwirt als Mitglied aufzunehmen.

 

Im Rahmen der Vorbereitungen des Aufstands wurde allerlei Schmarrn behauptet, um möglichst viele Mann zu mobilisieren. Der Jager Hiasl mit seinen Verschwörern log, dass der baierische Kurfürst Max Emanuel den Aufstand unterstützen würde und nur darauf wartet, mit seinen Truppen hinzu zu stoßen.

 

Am 21. Dezember 1705 war es soweit -  insgesamt versammelten sich 2.769 Knechte, Taglöhner und Holzarbeiter sowie etwa 300 berittene Bauern und Bauernsöhne beim Kloster Schäftlarn. Nicht nur, dass der Trupp nicht kampferprobt war, auch die Ausrüstung und Bewaffnung war jämmerlich. Meist waren sie nur mit Sensen, Dreschflegeln, Mistgabeln und Käulen bewaffnet.

Abbildung (oben): Ausschnitt aus dem Fresko "Die Sendlinger Bauernschlacht 1705" von Wilhelm Lindenschmit der Ältere, an der Alten Pfarrkirche St. Margaret in Sendling, (darunter) der Schmied von Kochel als Bannerträger der baierischen Aufständischen dargestellt vom Munichkindl (2015)

Munichkindl, Schmied von Kochel, Sendlinger Mordweihnacht, Georg Sebastian Plinganser, Jager Hiasl

Es ging dann alles schief, was nur schiefgehen konnte: Münchner Verbindungsmänner erschienen nicht zum vereinbarten Treffpunkt, die Kaiserlichen erfuhren vom geplanten Aufstand, so dass der Jager Hiasl sich vorab aus München zu den Oberländern absetzen musste und einige Gemeinden, die ihren Unterstützung der Aufständischen zusicherten, zogen sich zurück. 

 

Mittags am 24.12. beginnt der Marsch auf München. In Solln mussten die baierischen Aufständischen erfahren, dass die Verbündeten innerhalb der Münchner Stadtmauer aufgeben wollen. Um Mitternacht erreichte die Truppen Sendling, wo die Knechte bei Eiseskälte im Freien nächtigen mussten.

 

Währenddessen wurde Sebastian Plinganser mit der Unterländer-Verstärkung von etwa 16.000 Mann bei Zorneding (hinter Vaterstätten) von den Habsburgern gestoppt.

 

Die Oberländer teilten sich auf. Die Unbewaffneten blieben in Sendling und die anderen rückten zum Angertor und Roten Turm (dem Vorwerk des Isartors bei der heutigen Ludwigsbrücke) vor. Eigentlich sollten die Münchner Verbündeten die Stadttore in der Nacht zum  25.12. öffnen, aber der Tross der Aufständischen wartete vergeblich. Zwar konnten die baierischen Knechte kurzfristig den Roten Turm eroberten, wurden im Morgengrauen aber von den österreichischen Besatzer zurückgeschlagen. Einigen wenigen gelang die Flucht nach Sendling, wo sie sich verbarrikadierten, aber dann von den Kaiserlichen überrannt wurden. Der gnadenlose und ungleiche Kampf wird die "Sendlinger Mordweihnacht" genannt. Insgesamt sind 1.031 Gefallene aktenkundig verbrieft.

 

Als der letzte Aufständischen, ist der 70jährige Schmied von Kochel gefallen. Er war als Bannerträger nur mit einem Hammer und einer mit Nägeln gespickten Keule bewaffnet. Beim Schmied könnte es sich um Balthasar Mayer aus Waakirchen handeln, wahrscheinlich aber existierte der heroische Volksheld nur als Sagengestalt. In den Dokumenten der damaligen Zeit lässt sich kein Nachweis für ihn finden.

 

Ende Januar 1706 urteilte das Strafgericht hart über die beteiligten Münchner. Der Oberleutnant Johann Clanze aus der Au, Johann Georg Kidler, Wirt der Kidlers Weinschänke im Tal (heute Hausnummer 30), der baierische Soldat Johann Georg Aberle, sowie der Eisenhändler Johann Sebastian (Mitglied des Äußeren Rates und Fähnrich bei der Münchner Bürgerwehr) werden auf dem Marienplatz geköpft und noch schlimmer erwischte es den Jägerwirt. Er wurde gevierteilt und seine Überreste an den vier Haupttoren zur Abschreckung aufgehängt.

 

Wenn sich etwas Positives aus der Sendlinger Mordweihnacht ergab, dann vielleicht, dass die österreichische Verwaltung nach der Niederschlagung des Aufstandes einen moderateren Kurs wählte, Zwangsabgaben reduzierte und die Zwangsrekrutierungen eingestellte.

 

An die Aufständischen erinnern heute noch einige Straßennamen in Sendling: Johann-Clanze-Straße, Plinganserstr., der Kidlerplatz und die Kidlerstraße, Aberle- und die Senserstraße. Mit dem Gotzinger Platz, Gotzinger Straße, Valleyplatz und Valleystraße wird an die Herkunft der tapferen Oberländer Bauern erinnert. Und auch die Oberländerstraße erinnert an die Kämpfer vom Oberland (heute nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung für das südliche Voralpengebiet). Und selbst eine Schmied-von-Kochel-Straße gibt es am Sendlinger Berg, wo auch das Schmied-von-Kochel Denkmal (an der Lindwurmstraße) steht, unabhängig davon, ob es den sagenumwobener Volkshelden nun wirklich gab oder nicht.

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